Zur Thematik Pflichtteilsrecht konnte von unserer Kanzlei ein bemerkenswertes Urteil beim Oberlandesgericht München erwirkt werden. Das OLG München hat insoweit die ablehnende Vorentscheidung des Landgerichts Landshut zu dieser Frage aufgehoben.

In der Sache ging es darum, dass das Gericht einen Antrag der Klägerin auf ergänzende Auskunft über den Nachlass des Erblassers insoweit stattgegeben hat, als dass die Erbin zuvor ihre Pflicht auf Auskunftserteilung dadurch verletzt hatte, dass sie im Nachlassverzeichnis zwei ausländische Konten nicht angegeben hatte. Das Gericht hatte sich insoweit auch mit Verjährungsfragen zu dieser Thematik zu befassen.

Bemerkenswert an dieser Entscheidung ist, dass das Gericht einen Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 280 Abs. 1 BGB gemacht hat und dies im Zusammenhang mit einer falschen Auskunftserteilung durch die Erbin im Verfahren der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches. Eine Rolle spielten vor allem auch Verjährungsfragen zum Pflichtteils- bzw. damit zusammenhängend zu Auskunftsansrüchen zur Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen.

Dieser vom OLG München entschiedene Sachverhalt wurde bei der Bearbeitung weiterer aktueller Erbrechts- bzw. Pflichtteilsrechtsfälle in unserer Kanzlei relevant, weshalb das Urteil in den wesentlichen Punkten nachfolgend dargestellt wird.

Nachstehend das Urteil des OLG München vom 01.10.2010 auszugsweise:

AZ: 20 U 3260/10

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

X, Straße, PLZ, Ort

-Klägerin und Berufungsklägerin-

gegen

Y, Straße, PLZ, Ort

-Beklagter und Berufungsbeklagter-

wegen Auskunft u.a.

erlässt der 20 Zivilsenat des Oberlandesgerichts München aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2010 folgendes

 

ENDURTEIL

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Teilurteil des Landgerichts Landshut vom 19.05.2010, AZ: 55 O 3436/09, in Ziff. 1. dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, der Klägerin Auskunft zu erteilen über den Kontostand der Konto bei der xxx, lautend auf xxx, mit den Konto-Nummern xxx und xxx, zum Stichtag xx.06.1997.
  1. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
  • Kostenentscheidung
  1. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von je 110 % des vollstreckenden Betrages leistet.

  1. Die Revision wird nicht zugelassen.
  1. Streitwertfestsetzung

Gründe

I.

 

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten, ihrem Bruder, Auskünfte für die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.

Die Eltern der Parteien hatten sich mit notariellem Erbvertrag vom xx.xx.1976, ergänzt am xx.xx.1991, gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und den Beklagten als Schlusserben bestimmt.

Am xx.06.1997 verstarb der Vater. Die Mutter als Alleinerbin erstellte am xx.01.1998 und xx.11.1998 Nachlassverzeichnisse. Die Klägerin erhielt einen Pflichtteil von … DM.

Mit notariellem Übergabevertrag vom xx.04.1998 übergab die Mutter das elterliche Anwesen an den Beklagten.

Am xx.06.2008 verstarb die Mutter, die der Beklagte allein beerbte. Mit Schreiben vom xx.08.2009 forderte der anwaltliche Vertreter der Klägerin den Beklagten auf, Auskunft über den Bestand des Nachlasses der Mutter zu erteilen einschließlich aller von der Mutter vorgenommenen Schenkungen an Dritte in der Zeit vom xx.06.1998 bis xx.06.2008 und aller vorgenommenen ausgleichspflichtigen Zuwendungen bis zum xx.06.2008. Der Beklagte übersandte mit anwaltlichem Schreiben vom xx.08.2009 ein Nachlassverzeichnis und teilte mit, dass Schenkungen der Erblasserin an Dritte in der angegebenen Zeit ebenso wenig bekannt seien wie ausgleichspflichtige Zuwendungen.

Die Klägerin geht aufgrund der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eltern davon aus, dass die Nachlassverzeichnisse betreffend sowohl den Nachlass des Vaters als auch den der Mutter grob lückenhaft und fehlerhaft sind. Einen Beweis sieht sie darin, dass Ende 2008 der Beklagte von der spanischen Bank xxx über zwei Konten, lautend auf den Namen der Mutter, informiert wurde, die im Nachlassverzeichnis nach dem Tod des Vaters nicht angegeben waren, obwohl sie schon vor dem Tod des Vaters eingerichtet worden waren und das Guthaben den Eltern gemeinschaftlich gehörte. Ferner stützt sie ihre Vermutung einer falschen Auskunft darauf, dass im Verzeichnis betreffend den Nachlass des Vaters ca. … € Bankvermögen angegeben sind, die nunmehr im Verzeichnis betreffend den Nachlass der Mutter nicht mehr erscheinen, obwohl die Mutter dieses Geld nicht ausgegeben haben könne. Demgegenüber habe der Beklagte zwischen 1995 und 2000 … DM aufgewendet, die er nicht selbst erwirtschaftet haben könne. Die Klägerin behauptet, das nach dem Tod des Vaters gefertigte Nachlassverzeichnis vom xx.12.1997 gegenüber dem Amtsgericht Freising sei nicht von der Mutter, sondern der Ehefrau des Beklagten, unterschrieben worden. Der Vater habe Vermögen auch im Ausland, z.B. …, angelegt, wobei ihm der Beklagte behilflich gewesen sei.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte zu ergänzender und berichtigender Auskunft über den Bestand und den Verbleib des Nachlasses beider Elternteile verpflichtet sei, damit sie weitere Pflichtteilsansprüche nach ihrem Vater sowie den Pflichtteil nach ihrer Mutter geltend machen könne. Sie verlangt deshalb im Wege der Stufenklage in erster Stufe ergänzende Auskünfte.

Im Laufe des Verfahrens erster Instanz hat der Beklagte hinsichtlich der Klageanträge 1. b),c) und d) ergänzende Auskunft erteilt, so dass diese Anträge übereinstimmend für erledigt erklärt wurden.

Die Klägerin beantragte in erster Instanz in erster Stufe zuletzt, Auskünfte gemäß den Klageanträgen 1. a),e) bis k) zu erteilen.

Der Beklagte beantragte insoweit Klageabweisung. Pflichtteilsansprüche der Klägerin nach dem Vater seien bereits durch Zahlung erfüllt, hierüber sei auch ein Vergleich abgeschlossen worden. Etwaige Ansprüche im Zusammenhang mit dem Pflichtteil nach dem Vater seien auch verjährt. Über den Nachlass der Mutter habe der Beklagte bereits umfassend und vollständig Auskunft erteilt.

Ergänzend wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht wies die auf Auskunft gerichteten Klageanträge 1. a), e) bis k) mit Teilurteil ab. Etwaige Pflichtteilsansprüche nach dem Vater seien verjährt, so dass insoweit auch kein Auskunftsanspruch mehr bestehe. Die Berufung auf Verjährung sei auch nicht rechtsmissbräuchlich, da sich die Mutter des Beklagten als auskunftspflichtige Person nicht rechtsmissbräuchlich verhalten habe. Ein Anspruch auf Auskunft über den Verbleib von Nachlassgegenständen bestehe nicht, ebenso wenig ein Anspruch auf Auskunft über Auslandsreisen. Über den Bestand des Nachlasses der Mutter einschließlich etwaiger Schenkungen und Zuwendungen sei bereits Auskunft erteilt worden, der Anspruch also erfüllt. Ergänzend wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Mit der hiergegen eingelegten Berufung rügt die Klägerin, dass hinsichtlich der Pflichtteilsansprüche nach dem Vater zu Unrecht Verjährung angenommen worden sei. Die Mutter habe sich rechtsmissbräuchlich verhalten, da sie über die spanischen Konten haben Bescheid wissen müssen, diese aber im Nachlassverzeichnis verschwiegen habe. Da das Verzeichnis über den Nachlass des Vaters hinsichtlich der spanischen Konten unrichtig sei, müsse eine komplett neue Auskunft über den Nachlass des Vaters insgesamt erteilt werden. Da die Klägerin nachgewiesen habe, dass im Verzeichnis betreffend den Nachlass der Mutter gegenüber dem Nachlass des Vaters xxx € Bankvermögen fehlen, müsse sich der Beklagte über den Verbleib dieses Vermögens erklären. Das Landgericht habe verkannt, dass sich der Auskunftsanspruch auch auf den fiktiven Nachlass, also Schenkungen und Zuwendungen beziehe, wobei es für Zuwendungen, auch an die Kinder des Beklagten, keine zeitliche Begrenzung gebe. Die Frage nach den Auslandsreisen sei eine vom Auskunftsanspruch umfasste Begleitfrage.

Die Klägerin beantragt daher, das klageabweisende Teilurteil des Landgerichts Landshut aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, in der ersten Stufe der Stufenklage ergänzende Auskünfte wie folgt zu erteilen:

  1. Waren weitere Vermögenswerte neben dem notariellen Nachlassverzeichnis vom xx.11.1998 (Nachlass xxx) angegebenen Vermögen, z.B. insbesondere weiteres Bankvermögen sowohl im In- und Ausland, weiter sonstige Vermögenswerte (z.B. Edelmetalle) bzw. Bargeld sowohl im In- und Ausland beim Tode des Erblassers xxx am xx.06.1997 vorhanden, welche mit dem Erbfall auf die Erbin xxx übergegangen sind? Wenn ja, in welcher Höhe und wo befindet sich dieses Vermögen? Waren die Auskünfte, die im Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers xxx erteilt wurden (Nachlassverzeichnis an das Amtsgerichts … vom xx.12.1997 und notarielles Bestandsverzeichnis vom xx.11.1998) richtig, insbesondere die Auskunft auf Seite 6 des Nachlassverzeichnisses, dass vom Erblasser xxx innerhalb der 10-Jahres-Frist des § 2325 BGB keine Schenkungen und Zuwendungen vorgenommen wurden? Wenn nein, wie lauten die richtigen Auskünfte?
  1. e) Wo ist das Vermögen verblieben, das nachweislich aufgrund des am xx.11.19xx abgegebenen Nachlassverzeichnisses (Erbsache xxx) in Höhe von xxx € im Jahre 1998 noch vorhanden war?
  1. f) Warum wurde im Jahr 19xx in dem notariellen Nachlassverzeichnis das nunmehr nachträglich mitgeteilte Konto bei der spanischen Bank xxx nicht mitgeteilt? Wer hat das gegenüber dem Amtsgericht xxxxx abgegebene Nachlassverzeichnis vom xx.12.1997 angefertigt und unterzeichnet?
  1. g) …

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er verteidigt das landgerichtliche Urteil. Hinsichtlich der beiden spanischen Konten teilte er im nachgelassenem Schriftsatz vom xx.11.2010 mit, dass er davon ausgehe, dass nur die Mutter die Konten unterhalten habe.

Ergänzend wir auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschrift vom xx.10.2010 Bezug genommen.

 

II.

Die zulässige Berufung ist begründet, soweit es um den von dem Klageantrag zu a) umfassten Antrag auf Auskunft über den Kontostand der beiden spanischen Konten zum Stichtag xx.06.1997 geht (1). Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, da die geltend gemachten Ansprüche teilweise nicht bestehen, teilweise bereits erfüllt sind (2).

  1. Der im Klageantrag zu a) enthaltene Antrag auf ergänzende Auskunft über den Nachlass des Vaters ist insoweit begründet, als es um den Kontostand der beiden spanischen Konten zum Stichtag xx.06.1997 geht. Dieser Anspruch ergibt sich daraus, dass die Mutter ihre Pflicht aus § 2314 BGB, über den Nachlass des Vaters Auskunft zu erteilen, dadurch verletzte, dass sie im Nachlassverzeichnis die beiden spanischen Konten nicht angab. Die Klägerin hatte bereits in erster Instanz wie auch in der Berufungsbegründung vorgetragen, dass die spanischen Konten schon vor dem Tod des Vaters angelegt worden waren, als die Eltern die Wintermonate gemeinsam auf Mallorca verbracht hatten, und dass das Vermögen auf den Konten den Eltern gemeinschaftlich gehörte. Diesem Vortrag war der Beklagte weder in erster Instanz noch in der Berufungserwiderung entgegengetreten, vielmehr hatte er selbst gegenüber dem Amtsgericht Freising mit Schreiben vom xx.12.2008 die Existenz der Konten damit erklärt, dass die Eltern auf Mallorca überwintert hatten. In der nunmehr erstmals im Schriftsatz vom xx.11.2010 aufgestellten Vermutung, dass „offenbar“ nur die Mutter die beiden Konten unterhielt, ist schon kein substantiiertes Bestreiten der klägerischen Behauptung zu sehen, dass es sich bei dem Vermögen auf den Konten um gemeinschaftliches Vermögen der Eltern handelte. Ein solches verspätetes Bestreiten wäre auch nicht zuzulassen (§ 531 Abs. 2 ZPO), zumal Vortrag hierzu nicht erst durch den in der mündlichen Verhandlung vom xx.10.2010 erteilten Hinweis veranlasst gewesen wäre; denn die Frage einer Pflichtverletzung durch die Mutter hatte bereits im Zusammenhang mit dem Vorwurf der rechtsmissbräuchlichen Berufung auf die Einrede der Verjährung der Pflichtteilsansprüche nach dem Vater eine Rolle gespielt. Der Beklagtenpartei war durch den Senat Schriftsatzfrist eingeräumt worden, um Gelegenheit zur etwaigen Entkräftung der Vermutung des Verschuldens der Mutter zu erhalten. Die objektive Pflichtverletzung der Mutter durch Nichtangabe der spanischen Konten im Nachlassverzeichnis des Vaters stand hingegen aufgrund des unstreitigen Vortrags der Parteien bereits fest.

Die Vermutung des Verschuldens der Mutter (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) konnte der Beklagte nicht entkräften. Folge der Verletzung der Auskunftspflicht ist, dass die Klägerin so zu stellen ist, wie wenn richtige Auskunft erteilt worden wäre. Wäre richtige Auskunft erteilt worden, hätte die Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch nach dem Vater unter Einbeziehung des Vermögens auf den spanischen Konten berechnet und somit möglicherweise einen höheren Pflichtteilsbetrag geltend machen können. Mit diesem Schadensersatzanspruch, für den der Beklagte als Erbe seiner Mutter gemäß § 1967 als Nachlassverbindlichkeit haftet, ist nun gemäß § 242 BGB ein Anspruch auf Auskunft über den Kontostand zum Zeitpunkt des Todes des Vaters verbunden. Denn die Klägerin, die sich als Nichterbin nicht selbst über den Kontostand informieren kann, kann nur mittels dieser Auskunft feststellen, ob ihr noch ein Zahlungsanspruch hinsichtlich ihres Pflichtteils nach dem Vater zusteht. Einen Schadensersatzanspruch auf Zahlung einer etwaigen Differenz stünde auch nicht der vom Beklagten behauptete, aber nicht näher dargelegte Vergleich entgegen. Denn ein solcher wäre, da die spanischen Konten nicht einbezogen worden waren, auf falscher Grundlage geschlossen worden (vgl. § 779 Abs. 1 BGB).

Verjährung des auf der Pflichtverletzung durch falsche Auskunft der Mutter beruhenden Schadensersatzanspruchs ist noch nicht eingetreten, so dass auch noch ein objektives Interesse an der Auskunft besteht. Der Schadensersatzanspruch gegen die Mutter aus positiver Forderungsverletzung verjährte nach früherem Recht nach 30 Jahren, nach neuem Recht in drei Jahren ab Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände bzw. in zehn Jahren unabhängig von der Kenntnis (§§ 195, 199 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB). Gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 EGBGB werden die neuen kürzen Fristen vom xx.01.2002 an berechnet. Da die Klägerin von den spanischen Konten frühestens Ende 2008 erfahren hatte, war bis zur Klageerhebung weder die dreijährige kenntnisabhängige noch die zehnjährige kenntnisunabhängige Frist abgelaufen.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es nicht darauf ankommt, wann der Beklagte von den beiden spanischen Konten Kenntnis erhielt, da es insoweit um ein Pflichtverletzung der auskunftspflichtigen Mutter geht, für die der Beklagte lediglich als deren Erbe einzustehen hat. Den Anträgen der Klägerin im Schriftsatz vom xx.11.2010, dem Beklagten in diesem Zusammenhang die Vorlage bestimmter Unterlagen aufzugeben, kann schon aus diesen Gründen nicht nachgekommen werden.

  1. Ein Anspruch auf die übrigen von der Klägerin verlangten Auskünfte besteht nicht.

… wird weiter ausgeführt.